Sonntag, 26. Mai 2019



Beitrag aus dem Jahrbuch Kreis Euskirchen 1986 (S. 24ff)

Glückstal: Die Geschichte des einstigen Bergbaus in der Mutscheid

Von Edgar Fass


Im Glückstal bei Bad Münstereifel-Willerscheid künden heute außer dem Namen nur noch ein gemauerter Rundbogen über dem alten zusammengefallenen Stollenausgang,  ein kleines, wassergefülltes Staubecken und einige Abraumhalden von dem früheren Bergbau in der Mutscheid.
(* nachträglich eingefügt: Dazu gehört auch das heute denkmalgeschützte ehemalige Maschinenhaus am Ortsrand und die talabwärts gelegenen Gebäude der Schmelze).
Die Bergbaugeschichte des kleinen, aber nicht unbedeutenden Erzbergbaugebietes  im Münstereifeler Höhengebiet soll mit diesem Artikel wiedergegeben werden. Im Schrifttum fanden sich nur einige vereinzelte Hinweise;  größere Mineralienstufen dieser Gruben sind kaum noch vorhanden.  Darum gilt mein Dank den Bergleuten Karl Breuer und Peter Winand, die mit ihren Auskünften über ihre schwere Arbeit aller dort früher beschäftigten Bergleute eine Würdigung erhalten.
Bei der Mineralienbestimmung und der Beschreibung der geologischen Entwicklungsgeschichte haben Geologen geholfen.
Zum Konzessionsfeld des Grubengebietes Glückstal gehörten neben dem Christianschacht im Glückstal noch die Gruben Hürnigskopf bei Kirchsahr und Klappertshardt bei Hummerzheim in der Mutscheid als Eigentum der Stolberger Blei und Zink AG (s. Anmerkung 1).

Es wurden im Untertagebaubetrieb vorwiegend Blei- und Kupfererze,  aber auch Zink und Baryt (Schwerspat) abgebaut.  Die Bleimineralien enthielten außerdem noch etwas Silber.
Eine in etwa halbkreisförmige Erzlagerstättenzone erstreckt sich vom oberen Ahrgebiet bis in die Gegend von Mechernich.Die Bleierzgänge von Willerscheid und Hummerzheim in der Mutscheid sind ein Teil dieses erzhaltigen Streifens.Der kleine Ort Willerscheid liegt etwa zehn Kilometer südöstlich von Bad Münstereifel.
Als das Variskische Urgebirge, sozusagen ein Vorläufer des Rheinischen Schiefergebirges,  vor rund 300 Millionen Jahre gefaltet wurde, entstanden in den weichen Schiefergesteinsschichten  zahlreiche Klüfte (Verwerfungsspalten),  in denen heißes Wasser aus der Tiefe emporstieg, das mineralhaltige Lösungen enthielt. Das im Erdinnern aufgeheizte Wasser setzte in der Nähe der Oberfläche eine Reihe von wasserunlöslichen Mineralien an den Wänden der Spalten ab. Aus der Gesteinsspalte entstand dann im Laufe der Zeit ein Erzgang.

Geschichte des einheimischen Bergbaus

Der Beginn des bergmännischen Abbaus lässt sich heute nicht mehr feststellen. Er reicht jedoch in entfernte Zeit zurück. Aus römischer Zeit sind für das Glückstal keine Funde, die auf Bergbau schließen lassen, nachgewiesen.* Anno 1816 berichtet eine erste Quelle ** vom Bergbau im Glückstal mit Angaben zur Stärke der Belegschaft und der Förderleistungen im Jahre 1809.
Zu der Gemeinde Mutscheid,  die mit allen Ortschaften namentlich aufgeführt ist,  unter anderem auch " Glücksthal" mit 2 Häusern und 13 Einwohnern, heißt  es in einer Anmerkung: "Der Bergbau in dem Kirchspiel Mutscheid reicht in eine sehr entfernte Epoche hinauf ( Blei und Kupfer). Die Werke führen den Namen Glücksthal ( s. Anmerkung 2).Im Jahre 1809 waren der Arbeiter 51. Man hatte 476  Ctr. Bley gewinnen können. Der Ctr. Bley hält 4 Loth Silber"( s. Anmerkung 3).



  Im Jahre 1942 wurde die letzte Erzgrube geschlossen ( ***)


Das Lot, ein früher gebräuchliches altes Edelmetall- und Münzgewicht entsprach 1/16 Mark=196-280 g ( s. Anmerkung 4).
Für die Grube Glückstal gibt es aus dem Jahre 1857 einen weiteren Nachweis. Ein Herr Gustav Heinrich, Grubendirektor, schrieb am 26. November 1895 von der Grube St. Marienberg bei Unkel an das Bürgermeisteramt Münstereifel einen Brief mit der Einleitung: "Im Jahre 1857 reiste ich zu einem Bergwerk Glücksthal bei Mutscheid"( s. Anmerkung 5).
Nach einem alten Gruppenfoto mit dem Grubenpersonal aus dem Jahre 1901 war damals das Bergwerk mit dem Christianschacht im Glückstal noch in Betrieb.Im Jahre 1911 soll der Bergbaubetrieb eingestellt worden sein, weil verbesserte Pumpanlagen fehlten, mit deren Hilfe die Erzgänge in größeren Tiefen erschlossen werden konnten.(****)

Es haben dort zuletzt etwa 65 Personen als Bergleute bzw. als Zulieferer in Handwerksberufen(Schmied, Zimmerer und Fuhrleute)gearbeitet.
Die letzte Schachtanlage des Grubenfeldes mit dem Namen Klappertshardt nahe der Ortschaft Hummerzheim eröffnete zuletzt 1935 den Abbaubetrieb. Es soll dies bereits die dritte Wiederaufnahme der Fördertätigkeit gewesen sein.Über die Jahreszahlen früherer Erzförderungen ist nichts mehr bekannt.Im Jahre 1934 begannen die Arbeiten für das Abteufen des Schachtes. Nach anfangs guter Förderleistung lohnte sich ein Ausbau der in größerer Tiefe vorkommenden Erzgänge nicht mehr.Im Jahre 1942 kam das Ende für den Bergbau im Höhengebiet.
Die Grube Klappertshardt gab bis zu 100 Personen Arbeit und Brot.




 Bergarbeiter der Grube Glückstal im Jahre 1901 (*****)


Geologie und Zusammensetzung der Mineralien

Der hangende, 150 ° streichende Gang ist zwei bis vier Meter mächtig,  während der liegende Gang acht bis zwölf Meter Mächtigkeit erreicht und 120° streicht(s. Anmerkung 6). Die Hauptmasse der Erzgänge besteht aus Quarz (z.T. Bergkristall), der aus gelöster Kieselsäure entstanden ist.Die taube Gangmasse ist Schiefer- und Sedimentgestein.
Der Bleierzgang war oft nur armdick, manchmal aber auch bis zu 1/2 Meter mächtig. Die Ausfüllung der Erzgänge besteht aus zumeist nesterweise verteilten Blei- und Kupfererzen( Bleiglanz und Kupferkies, seltener Buntkupfererz -Bornit)-, untergeordnet auch aus Zinkblende. Das Muttergestein besteht vorwiegend aus Quarz.Die Bleiminerale enthielten zusätzlich einen beachtlichen Silberanteil.Spuren von Malachit, Spateisenstein und Dolomit sind in geringem Umfang nachgewiesen.Hingegen findet sich häufig weißer Schwerspat (Baryt) als Ausfüllung bzw. Begleitmineral der anderen Erze.
Als Hohlraumausfüllung kam häufiger auch Bergkristall vor, meist als igelförmige Gruppen von Kappenquarz. Manchmal sind die Quarzkristalle durch Mineralieneinflüsse (Beimengung von Mangan und Eisen)gelbbraun gefärbt. Das angrenzende Gestein ist mit schmalen Schnüren und Adern von Bleiglanz und von Schwärmen kleiner Einsprengungen von Bleiglanz und Kupfererzen durchsetzt. Siue erreichen zumeist nur einen Durchmesser von wenigen Millimetern bis zu Erbsengröße; ganz selten bis zu faustgroßen Klumpen. In Quarzdrusen bildet der Bleiglanz auch kleine Kristalle,  die in Würfelform gut ausgebildet sind. Meist sind diese Kristalle jedoch im Baryt eingewachsen.
Im vorigen Jahrhundert schlugen die Bergleute im Christianschacht der Grube Glückstal Erz und Gestein noch mit Spitzhacken, sog. Keilhauen,  aus der Wand. Über dem Schachteingang der Grube am Ortsrand von Willerscheid stand der Förderturm.Das Rad des Förderturms zog an einem Drahtseil die Körbe mit gefüllten Erzwagen (Loren) in die Höhe.Eine mit Kohle beheizte Dampfmaschine lieferte die Energie. Förderturm und Schornstein der Anlage wurden nach dem 1. Weltkrieg abgerissen.Einen Stollenausgang (sog. Stollenmundloch)mit gemauertem Rundbogen aus Grauwackesteinen gab es im Glückstal.Dieser Rundbogen ist der letzte noch erhaltene Teil des Bergwerks (******).Vor dem Stollenausgang ist der Talgrund teilweise mit einer planierten  Fläche aus Abraum angeschüttet.Dort stand damals das Haus des Steigers mit den Mannschaftsräumen für die Belegschaft.Am Ostrand des Dorfes oberhalb des Tales findet man noch weitere zugewachsene Haldenflächen.
Das Grubenwasser wurde in einen Stauweiher geleitet und von dort bei Bedarf weiter unterhalb, dem Verlauf eines kleinen Baches folgend,  zur Bleiwäsche.  Diesen, mit einem Erdwall eingefassten Platz erkennt man heute noch an dem fehlenden Pflanzenwuchs. Das hier ausgewaschene Roherz transportierte man auf Ochsen- und Pferdefuhrwerken zur Bahnstation Schuld an der Ahr und von dort mit der Eisenbahn zur Schmelzhütte. Es soll im vorigen Jahrhundert sogar Männer gegeben haben, die dass ausgewaschene Roherz in kleinen Säckchen zu Fuß nach Schuld schleppten.

Schachtanlage Klappertshardt

Der Schachteingang mit dem Förderturm stand auf der gleichnamigen Anhöhe.Man trieb vom senkrechten Schacht waagerechte Stollen in den Berg,  die dem Erzgang folgten. Es ergeben sich für die Grube Klappertshardt folgende Teufen:  60-Meter, 90- Meter, 120- Meter(*******)und 200- Meter-Sohle.Mit der 200- Meter-Sohle erreichte man hier die größte Tiefe und eine Stollenlänge von 1 200 Metern.Dieser Stollen stellte auch die Verbindung zum aufgegebenen Christianschacht  im Glückstal her. Das ständig aus denm Berg in die Stollen einströmende Wasser machte einen ununterbrochenen Einsatz von Pumpen erforderlich.Beim Anschluss an den überfluteten alten Stollen strömte soviel Wasser in den Verbindungsstollen,  dass die Pumpen die hereinbrechende Wassermenge nicht mehr schafften und die Bergleute sich über den Notausstieg (Aufhau) in Sicherheit bringen mussten. Auf den Stollen der tiefsten 200-Meter-Sohle lastete ein erheblicher Gebirgsdruck. Man baute daher dort als Stützmaterial für die Streben nur Eichenstämme ein. Die senkrechten Stämme (Streben) nannten die Bergleute Stempel, die waagerecht schützenden Kappe.Der Eichenstreb hatte eine Höhe von etwa zwei Metern.Ein Stolleneinbruch,  der zum Glück für die Bergarbeiter glimpflich verlief,  brachte einmal ein Teilstück des Stollens von 20 Meter Länge zum Einsturz. Die hinter der Einsturzstelle am Streckenvortrieb Eingeschlossenen konnten über Berge von Geröll und Gesteinschutt durch einen schmalen Durchlass befreit werden.

Technischer Fortschritt

Der technische Fortschritt erleichterte durch den Einsatz der Abbauhammer (Drucklufthammer) und Dynamitstangen die schwere Arbeit. Die Arbeit im Stollen ging so vonstatten:


                 

                                         Alter Stollenrundbogen vom Christianschacht im Glückstal

Nach der Sprengung des erzhaltigen Gesteins beladen die Schlepper vor Ort die kleinen Loren und schieben sie zum Schacht,  wo sie in den Förderkorb verladen werden. Später zogen Pferde und zuletzt eine Zugmaschine die Loren.
Unter Tage herrschte ein feuchtheißes Klima mit hoher Luftfeuchtigkeit.Dazu tropfte und regnete ständig Wasser von der Decke,so dass die Arbeitsbedingungen als schwierig galten.Dies machte eine dauernde Frischluftzufuhr (sog. Wetterführung) erforderlich. Die überflüssigen Seiten der Stollen verpackte man mit Abraumgestein. Den Notausstieg nannten die Bergmänner im einheimischen Dialekt "Ophau" (Aufhau).
Für die Arbeit unter Tage benutzten sie das Geleucht---offene, mit Karbid genährte Grubenlampen.
Das heraussortierte Erz lagerte man in einer Halle.Es wurde ohne Vorwäsche mit Schaufeln auf einen Lastkraftwagen geladen und zur Bahnstation Schuld/Ahr, später auch noch weiter gefahren.

Auf dem Förderturm stand folgender Spruch:

Es grünet die Tanne,
es wachse das Erz,
Gott schenke dem Bergmann
ein fröhliches Herz.
                                                          Glückauf!

Quellennachweise:

Anmerkung 1: Heimatgeschichte Kreis Ahrweiler 1984, Pioniergeist im 20.Jh.,Carl Hürth und der Bergbau im oberen Ahrgebiet S. 159- 162 Anmerkung 2: alte Schreibweise , heute Glückstal

Anmerkung 3: Heimatkalender Kreis Euskirchen 1969, Seite 73." Eine Beschreibung des Cantons (Kreis) Rheinbach aus dem Jahre 1816

Anmerkung 4: lt. Lexikon

Anmerkung 5: entn. der Frühgeschichte des St. -Michaelsberges von Dr. Rudi Creutz, S. 51
Anmerkung 6: aus Mineralienfundstellen Rheinland-Pfalz, S.23, Ziff. 4 Willerscheid

nachstehende Hinweise vom Verfasser nachträglich hinzugefügt

*= außerdem das unter Denkmalschutz stehende ehemalige Maschinenhaus am Ortsrand von Willerscheid
**= eine Urkunde von 1539 bezeugt die Anfänge der bergbaulichen Tätigkeit: bzgl. Verpfändung der Kirchspiele Mutscheid und Rupperath durch den Kölner Erzbischof Hermann V. mit Genehmigung des Domkapitels für 2000 Goldgülden an Diedrich von Orsbeck
*** = der Text wurde irrtümlich vertauscht bzg. ist dem nachfolgenden Foto zuzuordnen
****= die Einstellung des Grubenbetriebs erfolgte bereits 1903. Im Jahre 1911 erst  erlosch für die letzten Bergleute die Mitgliedschaft im Knappschaftsverein
*****= Der Text gehört zu dem vorhergehenden Foto
******= zudem das noch vorhandene und denkmalgeschützte Maschinenhaus mit einheimischer Grauwacke
******* = die dritte Sohle hatte statt 120 m eine Teufe von 140 m




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